Ich könnte Seiten füllen mit dem Zitieren von Hasstiraden des neuen Präsidenten Brasiliens, Jair Bolsonaro, gegen Frauen, Schwarze, Minderheiten und Arme. Um euren gesunden Menschenverstand nicht allzusehr zu strapazieren, beschränke ich mich auf zwei Aspekte seines erschreckenden Diskurses, die für die Projekte von Novo Movimento von grosser Bedeutung sind.

Bolsonaro: «Der einzige Fehler der Militärdiktatur in Brasilien ist, dass sie 30.000 Menschen nur gefoltert hat. Sie hätte alle ermorden sollen». «Jene, die gegen mein Projekt eines neuen Brasiliens sind, haben zwei Möglichkeiten: entweder das Exil oder das Gefängnis».

Das ist nicht nur eine absolute Ablehnung demokratischer Grundwerte, sondern eine klare Ansage: alle, die anders denken und die ultraliberale Umstrukturierung Brasiliens kritisieren, die Menschenrechte für alle verteidigen und sich konsequent gegen eine Übermacht der ökonomischen Elite Brasiliens stellen, stehen auf der Abschussliste. Und so natürlich auch das Kinderrechtszentrum Interlagos und mit ihm alle Menschenrechtsorganisationen und sozialen Bewegungen. Bereits heute sind Kinder und Jugendliche am Rand der Stadt São Paulo massiven Gefahren und Bedrohungen ausgesetzt. Mein Sohn Caio erzählt unzählige Geschichten der Bedrohung durch die Militärpolizei, nur weil er ein schwarzer Jugendlicher ist und am Rand der Stadt lebt. «Von der Militärpolizei werde ich immer als prinzipiell Krimineller wahrgenommen. Ganz einfach weil meine Haut schwarz ist und obwohl die Militärpolizisten selber ebenfalls meist Schwarze sind.» Jugendliche werden als Gefahr und Bedrohung wahrgenommen. Sie werden als Quelle der Gewalt identifiziert, obwohl gerade sie Opfer der perversen Ungleichheit sind.

Und gerade in diesem Kontext der systematischen Repression giesst der Diskurs von Bolsonaro Öl ins Feuer. Es geht nicht nur um Worte. Seine Tiraden sind immer auch Taten, weil sie andere Taten rechtfertigen und multiplizieren. In Brasilien ist es gefährlich, arm zu sein, Jugendlicher zu sein am Rand der Stadt. Und als Kinderrechtsorganisation für die Rechte der Kinder und Jugendlichen einzutreten, ist doppelt gefährlich. Auch das Kinderrechtszentrum Interlagos steht damit auf der Abschussliste Bolsonaros. Trotzdem: Angst ist kein guter Wegbegleiter und der Rückzug in die eigene Isolation schon gar nicht. In den nächsten Monaten geht es darum, mit grösserer Vorsicht vorzugehen, gleichzeitig aber die Inhalte und Prinzipien einer Menschenrechtsorganisation trotz wachsender Bedrohung konsequent weiter zu leben.

Zwei sehr konkrete Bedrohungen stehen bereits am Horizont: zum einen wird im Kongress versucht, die Proteste sozialer Bewegungen als terroristische Aktionen zu identifizieren. Zum anderen soll die Militärpolizei von allen heute möglichen strafrechtlichen Verfolgungen befreit werden. Damit wird der soziale Protest kriminalisiert und seine Repression bekommt eine Lizenz zum Töten.

Frieden ist die Tochter der Gerechtigkeit

Bolsonaro: «Klimawandel ist Erfindung linksgerichteter Ideologen». «In meiner Regierung bekommen indigene Völker keinen Zentimeter für neue Schutzgebiete».

In den vergangenen zwei Jahren hat Novo Movimento nicht nur das Kinderrechtszentrum Interlagos unterstützt, sondern ebenfalls die im brasilianischen Amazonasgebiet aktive Organisation SECOYA, die das indigene Volk der Yanomamis begleitet und die Yanomamis im Einfordern ihrer Menschenrechte stärkt. Mit den erfolgreichen Bildungs- und Gesundheitsprojekten erreicht Secoya nicht nur die Stärkung des Volkes der Yanomamis und die Verbesserung ihrer Lebensbedingungen. Gleichzeitig bedeutet die Stärkung indigener Völker immer auch verbesserten Schutz des Regenwaldes Amazoniens.

Trinkwasserprojekt von SECOYA

Mit seiner Position stellt sich Bolsonaro nicht nur hinter den US-amerikanischen Austritt aus dem historischen Klimaabkommen von Paris, sondern macht gleichzeitig deutlich, dass ihm der Schutz Amazoniens und der indigenen Völker nichts bedeutet. Das Umweltministerium soll abgeschaft werden, und die Umweltfragen sollen vom Landwirtschaftsministerium übernommen werden. Dort haben nicht etwa die Kleinbauern ein entscheidendes Wort mitzureden, sondern ausschliesslich die Vertreter des mächtigen Agrobuisness. Für sie ist Amazonien die letzte noch bestehende landwirtschaftliche Grenze Brasiliens, die es zu überwinden gilt, um die Expansion der Viehzucht und der Sojamonokultur zu ermöglichen.

So stellen alle Projekte von Novo Movimento Versuche dar, trotz allem gegen den Strom der aktuellen politischen Tendenzen zu schwimmen. Die kommenden Monate und Jahre werden für die gesamte brasilianische Zivilgesellschaft zu einer massiven Zerreissprobe. Hoffentlich gelingt es, Widerstand zu leisten, die Vernetzung der sozialen Bewegungen und Organisationen zu stärken und internationale Sichtbarkeit für die kritische Lage Brasiliens zu erreichen.

(tuto)