Ricardo Rabelo und Leandro Carvalhal sind tragende Akteure der Sambagruppe Pagode da 27, die vor achtzehn Jahren im Stadtteil Grajaú, Südzone von São Paulo, in der Strasse 27 entstand. Und von ihrer Strasse haben sie ihren Namen: 27. Pagode ist eine Form der Sambamusik und wird nicht in grossen Umzügen am Carnaval eingesetzt, sondern im gemeinschaftlichen Rahmen eines Wohnviertels. Im Moment der Gründung war der Stadtteil Grajaú noch nicht dicht bewohnt und lag ganz am Rand der Stadt. Diese ist in der Zwischenzeit mächtig gewachsen und Grajaú ist mit über 500 Tausend Einwohner einer der grössten Bezirke der 20 Millionenstadt São Paulo.

Pagode da 27 entstand als Samba liebender Freundeskreis, der sich jeden Sonntag eben in der Strasse 27 versammelte. Durch die gemeinsame Freude an der Sambamusik entstanden bald eigene Kompositionen, die alle Bilder und Farben aus dem Leben der Menschen in den Favelas von São Paulo malen. In all den Jahren wurde die sonntägliche Veranstaltung einzig durch Corona unterbrochen. Es gibt keine Ferien oder Auszeit und jeden Sonntag findet eine grosse Zahl von Menschen aus den anliegenden Favelas den Weg zum Samba des Pagode da 27. Und das Bild ist immer das gleiche: ein Tisch mitten auf der Strasse mit Stühlen für die Musiker*Innen, ein improvisiertes Zeltdach und hunderte von Menschen, die im Klang der Musik, die ihre Wirklichkeit erzählt, zusammenfinden. Pagode da 27 ist nicht aus dem Bild des Stadtviertels am Rande von São Paulo wegzudenken.

Ricardo und Leandro sind ihrer Musik sehr verbunden. Doch für sie ist klar: ihre Musik ist viel mehr als Musik. Ihre Klänge und Rhythmen habe immer auch eine soziale Funktion in der Gemeinschaft. In Zusammenarbeit mit dem Kinderrechtszentrum Interlagos begannen sie, erste soziale Projekte in ihren Favelas aufzubauen. Eine Bibliothek und verschiedene schulbegleitende Räume sind entstanden. „Unsere Kinder und Jugendliche haben ein riesiges und kreatives Potenzial. Aber Gewalt und fehlende Unterstützung zerstören nur zu oft diese Möglichkeiten“, erzählt Ricardo. „Wir sind uns sicher, dass wir durch unsere Musik vielen Kindern und Jugendlichen Hoffnung und Perspektiven ermöglichen können. Sie brauchen eine Hand, die begleitet, die Gewissheit gibt trotz dem alltäglichen Kontext von Gewalt und Ausbeutung. Wir geben einander die Hände und machen uns auf den Weg“, ergänzt Leandro.

Mit dieser Gewissheit hat Pagode da 27 den Beschluss gefasst, ihre Musik noch stärker mit ihrem sozialen Engagement zu verbinden. Samba als Instrument der Bewusstseinsbildung, als Weg eines kritischen Verständnisses der gelebten Wirklichkeit in den Favelas, als Möglichkeit die eigene Selbstwirksamkeit wahrzunehmen, um gemeinsam mit anderen die unwürdigen und ungerechten Lebensumstände zu verändern. „Wir haben mit dem Aufbau eines Samba Kinderorchester begonnen“, erklärt Ricardo. „Doch es geht uns nicht nur darum mit Kindern und Jugendlichen Musik zu machen. Wir wollen mit ihnen die Instrumente selber bauen, ihnen die Erfahrung ermöglichen, dass wir gemeinsam sehr viel Kraft haben und unsere Lebenswelt mitgestalten können!“.

Die Adventsaktion der Pfarrei St. Peter und Paul, Winterthur, wird dieses Jahr am Wochenende des 1. Advents (2. und 3. Dezember 2023) zugunsten des Projektes des Pagode da 27 realisiert und unterstützt damit den Aufbau des Samba Kinderorchester vom Pagode da 27. Ricardo und Leandro sind zwischen dem 28. November und dem 4. Dezember in Winterthur. Sie freuen sich auf jede Möglichkeit, ihre Arbeit und ihre Musik zeigen zu können.